Archiv der Kategorie: aktuelle Stellungsnahme

Missstände angehen und nicht wegschauen!

Stellungnahme der IG Feministische Theologinnen zur Pilotstudie «Sexuelle Missbräuche in der kath. Kirche Schweiz»

Die Ergebnisse der eben veröffentlichten Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz liegen vor. Wir von der «IG Feministische Theologinnen Schweiz/Liechtenstein» sind aufs Äusserste bestürzt. Als Christ*innen fühlen wir mit all den Menschen, die in den letzten Jahrzehnten grosses Leid erfahren mussten. Unsere Wertschätzung gilt den Forschenden, kirchlichen Mitarbeitenden und engagierten Gläubigen, die diese Aufarbeitung ermöglichen und vorantreiben, so dass die Opfer – viele Kinder und Jugendliche, aber auch erwachsene Frauen – wenigstens ein Stückweit Anerkennung erfahren.

Die Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz untersucht Geschehnisse und Entwicklungen in den letzten 70 Jahren. Sie zeigt, dass eine Veränderung im Umgang, der Prävention und Sanktionierung sexueller Missbräuche durch die Verantwortlichen der katholischen Kirche zwar langsam feststellbar ist, aber leider erst im 21. Jahrhundert und erst auf Druck von aussen.

Angesichts der schockierenden Ergebnisse wird jetzt ein «Kulturwandel» gefordert, um eine glaubwürdige Aufarbeitung der Vergangenheit zu leisten. Dabei dürfen auch «katholische Spezifika» (Bericht, 78ff.) hinsichtlich des (innerkirchlichen) Missbrauchs nicht ignoriert werden. Es bedarf einer ernsthaften und kritischen Auseinandersetzung mit der katholischen Sexualmoral, dem (Pflicht-)Zölibat, den Geschlechterverhältnissen innerhalb der Kirche und dem ambivalenten Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Homosexualität. Der Ausschluss zahlreicher Personengruppen aus kirchlichen Ämtern und Aufgaben muss aufhören, ebenso die Abwertung nicht-ordinierter Theolog*innen, insbesondere auch der Frauen. Professionelle Seelsorge ist unterschiedlichen Menschen möglich. Wir fordern deshalb eine grössere Diversität im kirchlichen Dienst. Nur eine strengere Selektion angehender Priesteramtskandidaten genügt bei weitem nicht für eine tiefgreifende Präventionsarbeit.

Zudem braucht es eine grundlegende Reform des Priesteramtes, das in Kirchenrecht, Liturgie- und Frömmigkeitsgeschichte bisweilen pathologisch überhöht wurde. Der Klerikalismus hat zu einem Klima beitragen, das spirituellen und sexuellen Missbrauch, aber auch Wegschauen begünstigt. Dies muss sich ändern. Theologische Denk-Arbeit wurde hierfür viel geleistet, auch überkonfessionell. Es liegt an den Verantwortlichen innerhalb der Kirche, gemeinsam mit Betroffenen, Gläubigen und Wissenschaftler*innen die Ergebnisse endlich aufzunehmen und umzusetzen!

Mehr dazu auch in unserer Stellungnahme 2018: «Wenn der Schutz der Kirche über dem Schutz der Opfer steht»

St.Gallen, 14. September 2023
Der Vorstand IG Feministische Theologinnen Schweiz/Liechtenstein

Leseempfehlung:
«Auch bei den Reformierten müsse man wachsam bleiben», sagt die Zürcher Genderbeauftrage Sabine Scheuter in nachfolgendem Interview

Ja zur Ehe für alle

Positionspapier der IG Feministische Theologinnen zur gleichgeschlechtlichen Ehe

Die IG Feministische Theologinnen unterstützt das Ja des Stände- und Nationalrats zur «Ehe für alle» vom Dezember 2020. Für uns ist mit diesem Ja die Grundsatzdebatte über die «Ehe für alle» eigentlich abgeschlossen. Wir haben deshalb in unserem Positionspapier weiterführende Fragen formuliert, die uns als feministische Theologinnen interessieren und die wir zur Diskussion stellen möchten (siehe Teil 1 des Papiers).

Da nun aber das Referendum zur «Ehe für alle» zustande gekommen ist, halten wir in einem 2. Teil unseres Papiers nochmals ausdrücklich fest, dass es aus unserer Sicht keine biblischen oder theologischen Gründe gibt, welche gegen eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sprechen. Weder wird in den biblischen Texten Homosexualität – was wir heute darunter verstehen – verurteilt, noch lässt sich in ihnen eine einheitliche Definition von Ehe finden. Wir gehen in diesem Teil unseres Papiers deshalb aus feministisch-theologischer Sicht kritisch auf die Argumente der Gegner*innen einer «Ehe für alle» ein, die immer wieder an uns herangetragen werden.

Das Positionspapier der IG Feministische Theologinnen kann hier heruntergeladen werden:
 > Ehe für alle_Positionspapier

Und hier die Übersetzung auf Englisch:
> Marriage for All Translation

Autor*innen:
Katharina Merian, Tina Bernhard-Bergmaier,
Übersetzung durch Noel Schneider

Empört euch!

Die IG Feministische Theologinnen protestiert gegen den Vergleich von Abtreibungen mit Auftragsmord durch Papst Franziskus.
Schon wieder gibt die Kirchenleitung der römisch-katholischen Kirche Anlass zur Empörung. Während die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale erst zögerlich beginnt und strukturelle Massnahmen noch kaum im Blick sind, sorgt Papst Franziskus für einen weiteren Skandal. Am 10. Oktober 2018 behandelte das Oberhaupt der Katholikinnen und Katholiken in seiner wöchentlichen Audienz auf dem Petersplatz das Gebot «Du sollst nicht töten». Dabei stellte er Abtreibung mit einem Auftragsmord gleich.
Die vollständige Stellungnahme kann hier eingesehen und/oder heruntergeladen werden.

Medienecho zur Stellungnahme

«Frauen wehren sich», Beitrag in der Zeitschrift «Sonntag», Nr. 43/2018: Weiter zum Beitrag …
«Wie lange wollen wir Frauen uns das noch gefallen lassen?», Beitrag auf «FrauenSicht»: Weiter …

Stellungnahme zur „Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister“

Die Zweigeschlechterordnung, nach der sich unsere gesellschaftlichen Institutionen orientieren, bildet die real existierende Geschlechtervielfalt nicht ab und marginalisiert Menschen mit davon abweichenden Geschlechtsidentitäten oder körperlichen Eigenschaften. Die gesetzliche Verankerung weiterer amtlicher Geschlechtseinträge und die Änderung des Schweizer Rechts hin zu geschlechtsneutralen Gesetzen sind deshalb notwendige Schritte, um die Diskriminierung von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (auch: Intersex) und von Transmenschen zu beenden.
Die IG Feministische Theologinnen begrüsst deshalb den Vorentwurf zur Gesetzesrevision der „Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister“ zur vereinfachten Anpassung des Geschlechtseintrags durch das Zivilstandesamt. Sie unterstützt die Vernehmlassung des Transgender Network Switzerland, die wichtige Änderungsvorschläge an diesem Vorentwurf enthält, damit das Gesetz wirklich den Anliegen der Betroffenen entgegenkommt.
Die vollständige Stellungnahme kann hier eingesehen und/oder heruntergeladen werden.