Frau vom September-Oktober 2017

2017-08-18-olympia-morata-001Olympia Fulvia Morata 1526-1555

Olympia Morata war eine ausserordentliche Persönlichkeit, die durch ihre engagierten Briefe und ihre Hingabe an die humanistischen Wissenschaften und an das Wort Gottes grossen Eindruck auf ihre Zeitgenoss/innen gemacht hat.

Sie wurde 1526 als Tochter des Humanisten Fulvio Pellegrino Morato ( ca 1483-1548) in Ferrara geboren. Ihr Vater musste bald einmal Ferrara aus politischen Gründen verlassen, er lehrte dann an den Universitäten von Venedig und Vicenza, bevor er nach Ferrara zurückgerufen wurde. Er war nun der Hauslehrer der Söhne Hyppolit und Alphons des Hauses Este.

Der Herzog von Ferrara, Modena und Reggio, Alphons d’Este (1476-1534), versucht sein Fürstentum vom Papst und von Venedig unabhängig zu halten. Er fördert Künstler und Gelehrte wie Tizian und Ariosto und Ferrara wird eine Hochburg der humanistischen Wissenschaften.

Seine 2. Frau ist Lucrezia Borgia. Ihr Sohn Ercole d’Este II. wird 1534 Herzog. Er ist verheiratet mit Renée de France, der Tochter von Louis XII. Sie ist gebildet und interessiert, als 1535 Calvin in Ferrara weilt, führt sie viele Gespräche mit ihm.

Olympia wird schon früh von ihrem Vater in der lateinischen Sprache und Literatur unterwiesen. 1540 wird sie zur Studiengefährtin der fünf Jahre jüngeren Prinzessin Anna d’Este bestimmt und zieht an den Hof. Sie beherrscht mit 12 Jahren die Artes liberales (Grammatik, Rhetorik, Logik, Astronomie, Musik, Arithmetik, Geometrie), während in Europa nur ein Viertel aller Frauen überhaupt schreiben kann. Sie geniesst den Unterricht der beiden Humanisten aus Schweinfurt: dem Mediziner Johannes Sinapius und dem Rechtsgelehrten Kilian Sinapius. Bald ist sie im Griechischen zuhause wie im Lateinischen. Sie verfasst eine Verteidigungsschrift für Cicero, die bewundert wird, sie übersetzt aus dem Toskanischen ins Lateinische, sie schreibt Sonette. Sie lernt Coelio Secundo Curione kennen und verbringt eine glückliche Zeit am Hof, wo sie auch ihre lebenslange Freundin Lavinia della Rovere Orsini kennen lernt. Mit ihrem Vater liest sie Schriften der Reformatoren.

1543 eröffnet eine päpstliche Bulle die Inquisition in Italien und die Gegenreformation erhält Aufwind. 1545 besucht Papst Paul III. Ferrara und in der Folge werden die Zeiten hart für Reformwillige, für die Häretiker. Die Gegenreformation treibt sie nach Norden: Occhino und Peter Martyr verlassen Ferrara. Die früher so grosszügige Herzogin darf keine Geächteten mehr aufnehmen. Zeitweise lässt sie der Herzog einsperren, um ihre Handlungen zu überwachen. Sie wird beeinflusst durch den fragwürdigen Hieronymus Bolsec aus Paris, der sich an ihrer Seite ein Amt verschafft und die Reformvertreter verleumdet. Der Herzog verhaftet Fannio della Faenza, der dann als erster reformierter Ketzer in Italien verbrannt wird.

Für Olympia ist die Sorglosigkeit vorbei, als ihr Vater 1548 stirbt. Schon während seiner Krankheit geht sie nach Hause, um ihn zu pflegen. Nach seinem Tod ist sie am Hof unerwünscht. Sie bleibt bei ihrer Mutter, den drei jüngeren Schwestern und dem jüngeren Bruder.

Durch die Brüder Sinape lernt sie Andreas Grundler aus Schweinfurt kennen. Er ist nach Ferrara gekommen, um zum Doktor der Medizin zu promovieren. Im Winter 1549/ 50 heiraten sie in aller Stille. Die Brüder Sinape verlassen Ferrara. Andreas verreist nach Deutschland, um eine Perspektive zu finden. Im Frühling kommt er zurück und sie beschliessen wegzugehen und den achtjährigen Bruder Emilio mitzunehmen.

Sie reisen vorerst nach der Humanisten-Stadt Augsburg. Olympias Ruf geht ihnen voraus, sie werden gut aufgenommen.

Olympia schreibt Curione, der mittlerweile in Basel ist und einen Lehrstuhl innehat. Sie schreibt an Lavinia, setzt sich wie diese für Fannio ein. Sie, ihr Mann und ihr Bruder reisen weiter über Kaufbeuren nach Würzburg. Dort treffen sie Johannes Sinapius. Der Bruder Emilio überlebt einen schweren Sturz, Olympia ist sehr dankbar. Andreas erhält einen Ruf, als Arzt für eine Garnison spanischer Truppen nach Schweinfurt zu gehen. Er hoffte auf einen Lehrstuhl. Da bietet ihm der Kaiser bietet einen Lehrstuhl in Linz an, das Ehepaar lehnt ab: „es ist unser fester Entschluss, dem erwählten Glauben treu zu bleiben“.

Olympia schickt Lavinia lutherische Schriften. Sie muntert sie auf: “Das Glück nicht im Oberflächlichen suchen, sondern bei Gott, suche Jesus Christus durch das Lesen der Heiligen Schrift, durch das Gebet und du wirst ihn finden. Bitte um den Heiligen Geist und du wirst Frieden, Freude empfangen“. Und man solle sich nicht mit den Reichen vergleichen sondern mit den Armen.

Sie unterrichtet Emilio und die Tochter von Sinapius in griechischer und römischer Literatur (Deutsch lernt sie nie). Aber als die Gattin des Sinapius stirbt, muss seine Tochter zurück um den Haushalt zu führen. Olympia übersetzt Psalmen ins Griechische und Andreas vertont sie.

1553 überfällt der katholische Markgraf von Brandenburg die Stadt Schweinfurt. Sie wird 14 Monate belagert. Die Pest bricht aus. Die Hälfte der Bevölkerung stirbt, auch Andreas wird krank. Olympia schreibt: “Unter der Last dieser Leiden haben wir nur einen Trost: das Gebet und die Meditation des göttlichen Wortes“. Andreas wird gesund und Olympia schreibt: „ Gott allein weiss den Tag und die Stunde der Barmherzigkeit, wir legen unser Schicksal in seine Hände.“ Zeitweise muss sich die Familie in einem Weinkeller verstecken.

Da wird die Belagerung aufgehoben, die Feinde ziehen ab und die Verteidiger der Stadt hinten nach, so dass die Stadt wehrlos ist. Die Bischöfe von Würzburg und Bamberg benützen dies und lassen die Stadt anzünden. Olympia will sich mit ihrer Familie in eine Kirche retten, aber ein unbekannter Soldat anerbietet sich, sie aus der Stadt zu führen. Ihr Glück, denn die Kirche verbrennt. Sie flüchten von der Stadt weg, unterwegs wird Andreas gefangen genommen und auf inständige Bitten von Olympia freigelassen, sie flüchten weiter zu Fuss, Olympia ist barfuss und krank. Dann kommen sie nach Hamelburg, wo die Bürger den Zorn der Bischöfe fürchten und sie nach drei Tagen weiterschicken. Sie geraten kurz in Gefangenschaft, nachher schenkt ihnen ein Unbekannter 15 Goldgulden. Schliesslich erreichen sie die Grafen von Reineck und von Erlach, die Olympia durch ihre Schriften kennen. Olympia ist erschöpft, sie haben alles verloren. Ihre Bibliothek ist verbrannt und jene des Vaters, die sie aus Ferrara nach Schweinfurt schicken liess. Auf Schloss Erbach kann sie sich etwas erholen. Andreas wird in Heidelberg ein Lehrstuhl für Medizin angeboten, sie selber könnte Ehrendame bei der Kurfürstin werden, aber sie lehnt es ab, will an keinen Hof mehr. Die Töchter des Grafen von Erlach werden ihre Freundinnen.

Sie leben mit wenig Ressourcen in Heidelberg. Olympia schickt bedürftigen Frauen in Schweinfurt Geld. Sie bittet einen Italiener, Luthers Katechismus ins Italienische zu übersetzen. Sie bittet Anna d’Este für Verfolgte, sie schreibt weiterhin an Curione, Occhino und Amerbach. Die Basler Buchdrucker schicken Bücher, Curione schickt ihr den Homer und ihre eigenen Schriften. Aber Olympia bleibt nur Kraft für Briefe und die häuslichen Arbeiten. Als im Juni 1555 in Heidelberg die Pest ausbricht, wird sie krank. Sie schreibt Curione: „Werden sie nicht traurig, wenn sie die Nachricht von meinem Tode erreicht. Ich weiss, dass die Krone der Gerechtigkeit für mich bereit steht und ich möchte gehen und bei Jesus Christus sein“.

Sie stirbt am 26. Oktober 1555. Ihr letzten Worte sind: „ ich bin glücklich, so glücklich“.

Curione muss die Nachricht ihrer Mutter in Ferrara mitteilen. Kurz darauf erliegen auch Andreas und Emilio der Pest. Sie werden in der Peterskirche in Heidelberg beerdigt, eine Grabtafel bezeugt es. Curione kümmert sich um die Herausgabe ihrer Werke, die 1558 erstmals erscheinen.

verfasst von Ines Rivera