Frau des Monats Februar 2015

Musa Wenkosi DubeMusa Wenkosi Dube, geboren 1964 in Botswana, studierte an der Universität von Botswana in Gabarone Geistes- und Religionswissenschaften. 1997 promovierte sie an der Vanderbilt-University in den USA im Neuen Testament. Ihre Dissertation Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible (2000) gilt als eines der Standardwerke der postkolonialen Bibelwissenschaft. Musa W. Dube ist heute Professorin für Neues Testament an der «University of Botswana», Gabarone, im Bereich Theologie und Religionswissenschaft.

Musa W. Dubes theologisches und bibelwissenschaftliches Arbeiten ist noch um Vieles reicher als ich es hier darstellen kann. Sie ist Teil einer afrikanisch-theologischen Bewegung, die in unserem europäischen Kontext noch wenig bekannt ist. Es lohnt sich,  sich mit ihren Büchern zu befassen. Musa W. Dube gehört zu den wichtigen, innovativen BibelwissenschaftlerInnen unserer Zeit.
Ich bin Musa W. Dube vor knapp zehn Jahren zum ersten Mal begegnet, durch das von ihr herausgegebene Buch: Other Ways of Reading, African Women and the Bible . In diesem spannenden Werk, das heute ein Klassiker ist, schreiben afrikanische Theologinnen aus dem südlichen Teil Afrikas über ihren Zugang zu biblischen Texten. Dubes postkolonialer, afrikanisch-feministischer Ansatz faszinierte mich und ich begann weitere Publikationen von ihr zu lesen. Ich nehme hier drei Aspekte ihres Zugangs zu biblischen Texten auf, die mich besonders angesprochen und herausgefordert haben:

1. Reading from and with ordinary readers: Dube stellt die über lange Zeit in kolonialer Weise im afrikanischen Raum vermittelte nordatlantisch-akademische Bibelwissenschaft in Frage. Sie will die Erfahrung und das Wissen einfacher BibelleserInnen (und BibelhörerInnen  – nicht alle Menschen können lesen) ihres eigenen kulturellen Umfelds mit einbeziehen und daraus die akademische Interpretationsarbeit gestalten. Es bedeutet, dass sie zum Beispiel erforscht, wie einfache Frauen aus den „African Instituted Churches“ (kirchliche Gemeinschaften, die sich nicht von der nordatlantischen Missionen herleiten, sondern sich als afrikanische Neugründungen verstehen) biblische Texte lesen und verstehen. Deren Zugänge werden dann in die universitäre Auseinandersetzung mit eingebracht.

Kommentar: Dubes basis-orientiertes Interesse – das sie mit vielen anderen afrikanischen TheologInnen teilt – ist nicht neu. Dass sich die akademische Bibelwissenschaft aber für solche Interessen öffnet und sie einbezieht, kenne ich aus meinem deutsch-(schweizerisch)-akademischen Kontext nicht. Und auch als Pfarrerin frage ich mich: Habe ich je seriös nachgeforscht, wie einfache Gemeindemitglieder biblische Texte methodisch angehen und verstehen, um dies dann in mein „geschultes“ Wissen mit einzubeziehen?

2. Die Frage nach dem „life interest“: Der zweite Aspekt hängt eng mit dem ersten zusammen. Dube interessiert sich nicht nur dafür wie „ordinary readers“ (insbesondere Frauen) aus ihrem kulturellen Kontext biblische Texte lesen, sie stellt auch die Frage nach dem wozu: Welches Interesse tragen die „ordinary readers“ (und „listeners“) an die Texte heran und inwiefern müsste auch die Bibelwissenschaft von solchen Interessen geleitet werden – bzw. deren Vorhandensein zugeben, statt sich hinter vermeintlich objektiver Wissenschaftlichkeit zu verstecken? Musa W. Dube’s Nachforschungen ergeben, dass zum Beispiel Frauen aus den „African Instituted Churches“ ein grosses Interesse an heilenden Prozessen haben. Dies hat damit zu tun, dass für sie das Bibel-Lesen kein Luxus ist, sondern es um existentielle Probleme und deren Lösung im Alltag geht. Dube geht dem Begriff der Heilung nach und erweitert ihn aus ihrem postkolonial-afrikanischen Verständnis: Bei Heilung geht es nicht nur um das Gesundwerden Einzelner, es geht um gesunde Beziehungsverhältnisse im kleineren und grösseren Kollektiv: zwischen Männern und Frauen, zwischen sozialen, religiösen und ethnischen Gruppen, zwischen Nationen und Kontinenten. Es geht um die Frage, ob die Beziehungen ökonomisch und sozial ausgeglichen und damit „gesund“ sind, oder ob sich krankmachende Abhängigkeiten und Zuordnungen zeigen, imperialistische Machtstrukturen. Damit wird Dube auch zur kritischen Bibelleserin: Sie untersucht die Texte auf ihre Beziehungsstrukturen und weist nach, dass sie zum Teil koloniale Beziehungsstrukturen rechtfertigen – und in der afrikanischen Kolonialgeschichte auch so verwendet wurden. Wichtig ist es ihr, dem gegenüber Strategien der Veränderung, der Heilung aufzuzeigen – mit Hilfe der Texte oder auch gegen den Text.

Kommentar: Dubes Zugang hat mir biblische Texte neu erschlossen. Mein Verständnis von Heilung hat sich politisch und gesellschaftlich aktualisiert. Mir selber die Frage zu stellen, mit welchem Interesse ich biblische Texte angehe – und wie dies meine Interpretation bestimmt -, finde ich seither unverzichtbar.

3. Divining Method of Interpretation: Musa W. Dube schlägt eine exegetisch-hermeneutische Bibellesemethode vor, deren analytsiches Werkzeug aus der eigenen Shonakultur stammt, aus der Kunst des „Divining“. Sie macht damit afrikanisch-analytisches Wissen für die Textinterpretation zugänglich und führt vor Augen, dass exegetische Methoden nicht nur aus den nordatlantischen Kulturbereichen kommen. Musa W. Dube betreibt in dem Fall keine „Inkulturation“ (was bedeuten würde, dass sie, theologisch-wissenschaftliche Elemente, die aus einer anderen Kultur stammen, in den eigenen (Bibel-)Kontext integriert). Sie beschäftigt sich mit „Exkulturation“, indem sie eigenes kulturelles Wissen für einen kulturell übergreifende Bibelforschung zugänglich macht. Auch zeigt sie auf, welche spezifischen Implikationen diese Methode hat und regt damit an, Implikationen auch im Bezug auf andere exegetische Methoden zu überdenken.

Kommentar: Der Versuch, selber mit der von Musa W. Dube angedachten „Divining Method of Interpretation“ zu arbeiten, hat mich in einen kreativen Interpretationsprozess geführt. Ich bin weiter daran, diesen Ansatz zu vertiefen und für den eigenen Kontext fruchtbar zu machen.

Verfasst und kommentiert von Verena Naegeli; www.bible-intercultural.org und www.malalaka.org

Einige Publikationen von Musa W. Dube:
– Semeia 73, „Reading with“, African Overtures, ed. by Gerald O. West  and Musa W. Dube, 1996
– Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible, Musa W. Dube, 2000
– Divining Texts for International Relations: Matt. 15:21–28, Musa W. Dube, in: Transformative Encounters: Jesus and Women reviewed, ed. by Ingrid R. Kitzberger, 2000
– The Bible in Africa, Transactions, tracjectories and trends, ed. by G.O. West and M.W. Dube, 2001
– Other Ways of Reading, African Women and the Bibel, ed. by Musa W. Dube, 2000
– John and postcolonialism : travel, space and power, Musa W. Dube, 2002
– Postcolonial Perspectives in African Biblical Interpretation, ed. by Musa W. Dube, Andrew M. Mbuvi, and Dora Mbuwayesango SBL, Atlanta 2012