Frau vom Juli-August 2019

Feministische Theologinnen im Porträt: Monika Hungerbühler, kath. Theologin/Offene Kirche Elisabethen Basel

Welchen Stellenwert hat feministisches Gedankengut innerhalb deiner Arbeit?
Seit meinem Studium bin ich verbunden mit der feministischen Theologie und lerne jeden Tag Neues dazu. Es begann mit meiner Freundin Doris Strahm, die mich wachgerüttelt und meinen Blick geschärft hat und dann mit meinem allerersten feministisch-theologischen Buch von Elisabeth Moltmann-Wendel „Ein eigener Mensch werden“, das ich 1981 gekauft habe. Unterdessen sind zu diesem einen Buch ein ganzes Büchergestell dazu gekommen.

Wie fliesst feministische Theologie in deine Arbeit ein und wie kommt sie bei deinen Adressat*innen an?
Feministische Theologie durchdringt mein ganzes Leben – privat und beruflich. Als Leiterin der Offenen Kirche Elisabethen fliesst sie in die Leitung der Flüchtlingsprojekte, in Seelsorgegespräche, in explizit feministisch-theologische und auch andere Feiern ein. Mein reformierter Kollege in der Leitung der Kirche hat mich als Feministin kennen- und schätzen gelernt. Inzwischen weiss man und frau, dass Feministisch-Theologisches bei uns zu hören ist. Wir haben zum Beispiel seit dem Jahr 2000 die ökumenischen Frauenfeiern, d.h. acht Feiern pro Jahr: die KerzenLichtfeier an Maria Lichtmess, die Walpurgisnacht, die Kräuterfeier an Maria Himmelfahrt und die Ahninnenfeier an Allerheiligen sowie vier Agapefeiern „FeierAbendMahl“ jeweils am Freitag Abend (siehe www.offenekirche.ch)

Wie beurteilst du das Verhältnis von ‚Feminismus‘ und ‚Gender‘ und wie haben diese beiden Konzepte einen Einfluss auf dein Theologietreiben?
Ich bezeichne mich als feministische Theologin, bin aber froh um die immer tiefer greifende Genderdebatte und um den Lehrstuhl in Basel für Genderstudies, wo Frauen und Männer studieren. Ein Lehrstuhl für Feminismus würde wohl die Männer abschrecken, vielleicht auch manche Frauen. Der Genderbegriff macht deutlich, dass es um alle Geschlechter geht, um die ganze Welt. Er ist ein wichtiges Arbeitsinstrument, auch in meinem theologischen Alltag, wo mir z.B. immer wieder bewusst wird, wer wann im Gender-doing verhaftet ist – ich auch.

Braucht es in den Kirchen noch ‚Frauenförderung‘ oder ist die Gleichstellung der Geschlechter schon Realität?
Die überwältigende Teilnahme am Frauenstreik sowie der Frauen*KirchenStreik haben gezeigt, dass Vieles erreicht und noch sehr viel zu tun ist. In den christkatholischen und evangelisch-reformierten Kirchen ist sehr viel umgesetzt an Frauengleichstellung und Frauenförderung, in meiner Kirche gibt es wichtige Ansätze und im Bistum Basel hat es viele Frauen in Leitungspositionen. Jedoch die strukturelle Frage der Unsichtbarkeit der Frau und den Ausschluss der Frau von sämtlichen Ämtern nur auf Grund des Geschlechts ist nach wie vor ungelöst und ein Skandal.

Wie bekommen deine Überzeugungen Hand und Fuss?
Ich versuche mich zu verbünden, wo es geht: in der IG fem. Theologinnen, in der Gruppe „Wir haben es satt!“ / „Für eine Kirche umfassender Gleichwertigkeit“, bei ökumenischen und interreligiösen Projekten. Ich bleibe dran.

Das Interview führte Esther Fischer Gisler, Juni 2019