Feministische Theologinnen im Porträt: Susanne Andrea Birke
Susanne Andrea Birke, *1968 in Ulm (D), seit 1991 in der Schweiz, arbeitet als Theologin* mit dem Bereich Frauen* und Gender, sowie Regenbogenpastoral für Bildung und Propstei (Römisch-Katholische Kirche im Aargau) und in der Steuergruppe der Allianz Gleichwürdig Katholisch, unbezahlt u.a.: Coleitung des Embracing Womyn’s committee und Mitglied im theological committe des Global Network of Rainbow Catholics. Ausserdem mit Leib und Seele QiGong/Shibashi-Lehrerin und Atemtherapeutin.
- Welchen Stellenwert hat feministisches Gedankengut innerhalb deiner Arbeit und wie fliesst feministische Theologie in deine Tätigkeiten ein?
Vor über 30 Jahren war es die feministische Theologie, die mich nach Fribourg in die Schweiz brachte, und sie war es, die mich dort hielt. Wenn auch mein Verhältnis zu ihr kein ungetrübtes ist. Ich rieb und reibe mich bis heute an ihr, was den Umgang mit sexueller Ausbeutung durch Frauen angeht. Gleichzeitig habe ich ihr so viel zu verdanken. So arbeite ich jetzt schon länger an einer Stelle, die geschaffen wurde, weil die FrauenKirchenBewegung sich dafür einsetzte. Feministische Theologie war und ist die wichtigste Grundlage und Inspirationsquelle hier, ob Barfusstheologie oder universitär. So manches hat sich seither bewegt: interreligiöser Austausch und queerfeministische Ansätze gewannen an Gewicht und innerhalb der römisch-katholischen Kirche wurde die globale Vernetzung von Frauen*/LGBTIQ+ stärker. Feministische Theologie gemeinsam weiter zu entwickeln macht die Arbeit auch 2021 nach wie vor spannend.
2. Bist du eher anwaltschaftlich (feministisch) oder eher beschreibend (gender) unterwegs?
Für mich ist das kein Gegensatz. Ich erlebe in meiner Arbeit bei der Landeskirche, ebenso wie in meinen verschiedenen (kirchen)politischen Engagements, dass es dringend nötig ist, dem Antigenderismus und damit verbundenen Vorurteilen etwas entgegen zu setzen. Im Namen dieses Feindbilds, das v.a. im kurialen Thinktank des Vatikans geschaffen wurde, werden Frauen* und/oder sexuelle und geschlechtliche Minderheiten angegriffen, gar verfolgt wie z.B. der Blick nach Polen zeigt.
3. Gibt es Reaktionen aus der Gemeinde, aus deinem Umfeld auf deine feministische Theologie/Arbeit? Wenn ja, welche?
Es gibt eine grosse Bandbreite von Reaktionen: von anonymen Briefen und Mails und der x.ten Googlebombe, die ich diese Woche fand, bis hin zu grosser Wertschätzung und tollen Kooperationen. Wie bei anderen kirchlichen Frauenstellen gab es auch im Aargau immer wieder Diskussionen, ob es diese Arbeit noch braucht. Demgegenüber stehen kirchenferne und kirchennahe Menschen, die genau das innerhalb der römisch-katholischen Kirche wichtig und nötig finden. Die Zusammenarbeit von kirchlichen und säkularen Feministinnen* ist bereichernd. Auch der Hunger nach feministisch-theologischen Perspektiven begegnet mir bis heute, obwohl diese glücklicherweise nun viel breiter Fuss gefasst haben.
4. Braucht es in den Kirchen noch ‚Frauenförderung‘‘ oder ist die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern schon Realität?
Als Römisch-Katholikin* bringt mich die Frage nach der erreichten Gleichstellung doch eher zum Schmunzeln. Von Menschen, mit Distanz zur RKK werde ich oft gefragt, wie ich bei einer Kirche arbeiten könnte, deren Leitung in weiten Teilen Frauen* bis heute nicht als gleichwürdiges und gleichberechtigtes Gegenüber akzeptieren kann. Ganz zu schweigen von lehramtlichen Positionen zum Wesen der Frau, zu LGBTIQ+, den endlosen Skandalen um sexuelle Übergriffe… Es braucht dezidiert feministische Arbeit. Aber es braucht auch mehr als das, denn dieser Ausschluss trifft nicht nur Frauen*. Gleichstellung sollte alle einbeziehen.
5. Wie bekommen für dich deine Überzeugungen Hand und Fuss?
Ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr das 25. ökumenische FrauenKirchenFest im Aargau feiern können. Letzten Oktober begingen die ökumenischen Frauengottesdienste in Aarau ihr 30jähriges und auch frauenaargau ist 30 geworden. Die Feiern vor der Kirchentür mit Maria von Magdala – Gleichberechtigung. Punkt. Amen. sind ein Nachfolgeprojekt des Frauen*streikes. Es wird von der ganzen Fachstelle Bildung und Propstei getragen und viele Menschen aus Aargauer Pfarreien wirk(t)en dabei mit. Über den Aargau hinaus gehen die #JuniaInitiative, das universelle Gebet zur nächsten Pride in Zürich oder die Allianz Gleichwürdig Katholisch. Noch weiter hinaus geht es mit dem Europäischen Forum christlicher LGBT-Gruppen, dessen Jahrestreffen 2022 in der Paulusakademie stattfinden wird. Noch einmal weiter ausgespannt ist das Global Network of Rainbow Catholics, wo u.a. die Statuen überarbeitet wurden, damit die Minderheiten innerhalb des Netzwerkes gestärkt werden. Neben der Basisarbeit sind da ausserdem die AG Geschlechterfragen im Bistum Basel oder der AK Regenbogenpastoral. Bei all dem bin ich froh mit Shibashi/QiGong, Atemarbeit und Jin Shin Jyutsu die Erdung halten und die leib-seelische Verbundenheit pflegen zu können, auch wenn das gemeinsam im Moment nur online geht.
Das Interview führte Esther Fischer Gisler, März 2021