Feministische Theologinnen im Porträt: Gabriela Allemann, Präsidentin Evangelische Frauen Schweiz EFS*
Welchen Stellenwert hat feministisches Gedankengut innerhalb deiner Arbeit und wie fliesst feministische Theologie in deine Tätigkeiten ein?
Mein Denken und Handeln im beruflichen wie auch privaten Leben sind von feministischen Grundannahmen getragen.
Feministische Theologie ist der Boden meiner beruflichen Tätigkeit, im Pfarramt manchmal nicht ganz so explizit, aber in allen Bereichen – Unterricht, Seelsorge und liturgisches Handeln – präsent für mich und spürbar für die Adressatinnen.
In meiner jetzigen Tätigkeit als Präsidentin der Evangelischen Frauen ist sie der Bezugsrahmen für die Anliegen der Frauen in Kirche und Gesellschaft.
Bist du eher anwaltschaftlich (feministisch) oder eher beschreibend (gender) unterwegs?
Sowohl als auch! Das eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden, denn es braucht beides: die gründliche Analyse und Bestandesaufnahme der Zustände sowie darauf aufbauend die Aktion – und dann erneut die Reflexion und Analyse!
Gibt es Reaktionen aus der Gemeinde, aus deinem Umfeld auf deine feministische Theologie/Arbeit? Wenn ja, welche?
Von verschiedenen Seiten gab und gibt es immer wieder Reaktionen.
Sie reichen in der Pfarramtszeit von Unverständnis («das braucht es nun doch nicht mehr, die Frauen sind jetzt genug gleichgestellt…») über Erstaunen («Gott als Mutter ansprechen – das habe ich noch gar nie überlegt…») zu Anerkennung («ich bin froh, dass wir endlich anders und neu über die Bibel und Glaube sprechen können…»).
Seit ich für die EFS im Amt bin, erhalte ich viele ermutigende Rückmeldungen und auch die Bestätigung, wie wichtig es ist, sich nach wie vor mit dem Fokus Geschlechtergerechtigkeit zu engagieren, in Kirche und Gesellschaft.
Mein privates Umfeld hat mit mir zusammen gelernt, wie ernüchternd, dann aber befreiend und ermutigend der feministische Blick auf Bibel, Kirche und Gesellschaft sein kann.
Braucht es in den Kirchen noch «Frauenförderung» oder ist die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern schon Realität?
Solange es noch immer heisst «sie wurde als erste Frau in dieses oder jenes Amt gewählt», braucht es Frauenförderung! Es ist noch nicht lange Normalität, dass Frauen rechtlich gleichgestellt sind, bis zur faktischen, tatsächlichen Gleichstellung im Alltag braucht es noch langen Atem und tatkräftiges Engagement.
Frauenförderung ist vielfältig, sie beinhaltet auch Diskussionen über Strukturen, welche Frauen benachteiligen. Sie bedeutet eine grundsätzliche Veränderung der Systeme, hin zu mehr Vielfalt.
Wie bekommen für dich deine Überzeugungen Hand und Fuss?
Im täglichen Wirken für die Evangelischen Frauen Schweiz und im Zusammensein mit meinen Töchtern.
* Zur Person: Gabriela Allemann, Jg 78, ist Pfarrerin, Mutter und seit Juni 2019 Präsidentin Evangelische Frauen Schweiz EFS.
Das Interview führte Esther Fischer Gisler, August 2020