Feministische Theologinnen im Porträt: Nadja Troi-Boeck
1. Welchen Stellenwert hat feministisches Gedankengut innerhalb deiner Arbeit?
Ich arbeite in der reformierten Kirchegemeinde Furttal und feministisches Nachdenken begleitet mit in der alltäglichen Arbeit, bei der Formulierung von Texten, Gottesdienst, in konkreten Unterrichtslektionen zu Gottesbildern, die ich mit meinen Konfirmand*innen mache oder in dem Themen zu Vereinbarkeit, zu Geschlechtergerechtigkeit und Feminismus in der Kirchgemeinde einbringe. Im Februar habe ich zum Beispiel zu #metoo gepredigt.
2. Wie fliesst feministische Theologie in deine Arbeit ein und wie kommt sie bei deinen Adressat*innen an?
Ich nehme in Predigten aktuelle Themen aus der feministischen und der Genderdebatte auf, aber meistens sind es ganz konkrete Momente, wo ich darauf hinweise, dass Flyer nicht gendergerecht formuliert sind usw. Dann bin ich manchmal erstaunt, wieviel Basisarbeit da noch nötig ist und wie wenig Bewusstsein für diese Themen. Sehr erstaunt hat mich zum Bespiel, das Konfirmandinnen völlig überrascht waren, dass es Jüngerinnen gab. Es war für sie eine ganz wichtige Entdeckung. Und ich hab gedacht, das wäre inzwischen Allgemeinwissen, dass Jesus nun nur Jünger hatte, die ihn begleiteten. Also es bleibt dabei, dass das Sichtbarmachen von Frauen in der Bibel, in der Geschichte und Gegenwart ein ganz wichtiger feministischer Auftrag ist.
3. Bist du eher anwaltschaftlich (feministisch) oder eher beschreibend (gender) unterwegs?
Ich unterscheide da ganz ehrlich nicht, für mich ist sowohl meine feministische als auch meine gendergerechte Ausrichtung anwaltschaftlich. Denn es geht bei Genderbetrachtungen ja nicht um reine Beschreibung. Mit Genderanalysen stelle ich doch immer Machtverhältnisse infrage und dekonstruiere sie. Die Analyse ist einfach ausdehnt auf alle Geschlechter und nicht auf eine binäre Betrachtung von Mann und Frau.
4. Braucht es in den Kirchen noch ‚Frauenförderung‘‘ oder ist die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern schon Realität?
Auf jeden Fall, solange noch von Feminisierung der Kirchen gesprochen wird, gibt es latente Vorurteile gegen Frau im Amt. Förderung heisst für mich, dass z.B. Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie selbst verständlich werden. Sehr gut finde ich Frauenförderung im Sinn von Mentoring-Programmen, wie sich auch in der Wissenschaft üblich sind, damit Frauen durch Mentoring ihre Potenziale zum Beispiel für Kirchenleitung entdecken können.
5. Wie bekommen für dich deine Überzeugungen Hand und Fuss?
Ich versuche meine Überzeugungen täglich in die Arbeit einzubringen und wenn dann ein Kollege zu mir sagt: „Seit Du da bist, dürfen wie nie mehr nur die männliche Form schreiben.“ Dann ist das nicht einfach witzig gemeint, sondern ich merke auch, dass da Bewusstseinsbildung passiert, wenn ich die Themen immer wieder einbringe.
Das Interview führte Esther Gisler Fischer, August 2018