«Wenn ihr euch für die Armen einsetzen wollt, dann sollt ihr bitte genau wissen, was die Bibel dazu sagt. Sonst verduftet dieses Engagement irgendwann wie der Flieder im Mai.» (Luise Schottroff)
Luise Schottroff lehrte an den Universitäten Mainz, Kassel, Berkeley und New York, 2007 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Marburg verliehen. Sie unterrichtete in vielen Studienzentren, auf dem Kirchentag, in Gemeinden und überall dort, wo sie Menschen begegnete, die Fragen an die Bibel und ans Leben hatten. Sie gehört zu den Gründerinnen des Netzwerkes ESWTR (European Society of Women in Theological Research). Politisches Engagement und eine tiefe, von biblischer Tradition getragene Frömmigkeit kamen bei ihr zusammen. Sitzblockaden im Hunsrück vor den dort stationierten amerikanischen Raketen in den 1980er Jahren gehören ebenso zu ihrer Biographie wie Bibelarbeiten mit Dorothee Sölle auf den Kirchentagen und eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen.
Anfangs der 1970er Jahre setzte sie sich mit dem Antirassismusprogramm des Ökumenischen Rates der Kirchen auseinander und begann, sich für die Entwicklung einer Befreiungstheologie im europäischen Kontext zu engagieren. Dass viele ihrer Kollegen eine Beteiligung am Antirassismusprogramm mit der Begründung ablehnten, sie seien Theologen und an Politik nicht interessiert, hat sie richtiggehend entsetzt. Wie kann man Theologie betreiben und den gesellschaftlichen Kontext nicht reflektieren?
Die theologische Frauenbewegung wahr- und ernstzunehmen, war für Schottroff selbstverständlich. Schottroffs „Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums“ (Gütersloh 1994) ist als Meilenstein zu verstehen. Sie hat zahlreiche Doktorandinnen begleitet und gelehrt, feministische Sommerunis in Kassel abgehalten und grosse feministisch-theologische Projekte initiiert wie das Wörterbuch der Feministischen Theologie (Gütersloh 19912), das Kompendium Feministische Bibelauslegung (Gütersloh 1998). Dadurch gelang es der Feministischen Bibelwissenschaft, sich zu konsolidieren. Viele Kooperationen der Forscherinnen wurden durch die Arbeitstreffen dieser Werke möglich, Wissen wurde zusammengeführt. Als eine der HerausgeberInnnen der „Bibel in gerechter Sprache“ (Gütersloh 2006) war es ihr ein Anliegen, die drei theologischen Bewegungen – die Befreiungstheologien der weltweiten Ökumene, den christlich-jüdischen Dialog und die Feministische Theologie – zusammenzubringen.
Ihr unermüdlicher Forschungsgeist brachte immer wieder Neues zu Tage. So z.B. ihre Arbeit zu den Gleichnissen Jesu (2005) oder „Essen, um zu leben“ (mit Andrea Bieler zusammen, 2007). Mit ihrem Kommentar zum 1. Korinther (Gütersloh 2013), ihrer sozialgeschichtlich in der politischen Welt des römischen Imperiums verorteten Pauluslektüre, hinterliess sie ein reiches Vermächtnis.
verfasst von Luzia Sutter Rehmann