Myrto Theocharous hat ein MA vom Wheaton College und ein PhD der Universität Cambridge, sie ist Professorin für Hebräisch und Altes Testament am Greek Bible College in Athen. Sie ist unsere Frau des Monats für den November 2015.
«Jahrhunderte patriarchaler Lektüre haben jene Textelemente vernebelt, welche Schlüssel sind zu einem korrekten Verständnis von Frauen und ihrer bestimmenden Rolle in der Heilsgeschichte.» Dieser Satz, der für nordeuropäische Theologinnen fast banal wirkt, ist eine erstaunliche Aussage einer Theologin aus einem eher evangelikal anmutenden Umfeld und im stark orthodox geprägten Griechenland eigentlich revolutionär. Mit diesen Worten hat Myrto Theocharou einen Vortrag eingeleitet mit dem Titel: «Re-centralizeing the Woman – From Eve to Mary to Us» (siehe Anhang), gehalten an der Generalversammlung des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Europa auf der Insel Tinos, Griechenland im August 2014.
Myrto Theocharous wurde in Zypern geboren und trat als Jugendliche der evangelischen Kirche bei. Sie wurde deshalb in ihrer Schule stark angefochten, blieb aber bei ihrem Entschluss. Durch ihre zypriotische Herkunft hat sie einen tiefen Bezug zu den Originalsprachen der Bibel. Myrto hat diese Kenntnisse zum Zentrum ihrer Studien an der Universität Cambridge gemacht. Sie wandte sich aber nicht den Texten des Neuen Testamentes zu, sonder spezialisierte sich auf die Septuaginta, insbesondere auf die Bücher Hosea, Amos und Micha.
Diese tiefen Kenntnisse der Bibel befähigen sie zu ihrer gegenwärtigen Arbeit, die Ausbildung von Verantwortlichen christlicher Kirchen in der Handhabung der heiligen Schriften. Myrto beschränkt sich aber nicht auf ihre Lehrtätigkeit am Coillege, ihr besonderes Engagement gilt der grossen Anzahl Frauen in griechischen Städten, welche als Opfer von Menschenhandel in die Prostitution gezwungen sind (siehe Anhang).
Griechenland war in den vergangenen Monaten immer wieder in den Schlagzeilen wegen seiner Finanzkrise. Aber wenig wurde gesagt über die spirituellen Bedürfnisse der Menschen. Die evangelische Gemeinde in diesem Herzland der Christenheit ist verschwindend klein und kämpft mit grossen Schwierigkeiten. Myrto Theocharous ist ein junges Mitglied im Leitungsteam der Evangelischen Kirche und unterrichtet am Greek Bible College in Athen. Kritisch äussert sie sich zur griechischen Wirtschaftslage und Finanzkrise und verlangt von ihrer Kirche eine klare Haltung, wie einer ihrer Text zu Habakuk zeigt (siehe Anhang).
Myrto Theocharous ist eine Grenzgängerin: Zypriotin und evangelisch, Dozentin an einem eher evangelikalen Bible College und Feministin, Griechischspezialistin und Alttestamentlerin, Professorin und Streetworkerin. Zudem ist sie eine lebenslustige, attraktive, moderne, weltoffene Frau, welche aus ihrer Arbeit als Bibelwissenschafterin Kraft für ihr soziales Engagement in den Strassen schöpft. Sie schafft es, in dem dominant orthodoxen Umfeld (und trotz vielen Hindernissen und Anfechtungen durch die mächtige und vom Staat getragene orthodoxe Kirche) sich nicht durch Abgrenzung zu profilieren, sondern wichtige Aspekte der orthodoxen Kirche aufzunehmen und aus evangelisch feministischer Sicht neu zu interpretieren. Dies trägt ihr auch den Respekt orthodoxer Theologinnen ein.
Eva-Maria Fontana