Astrid Lobo Gajiwala ist Naturwissenschafterin, Medizinerin und Ökonomin, und engagiert sich für Frauenfragen in der katholischen Kirche – und unsere Frau des Monats September 2015. Sie hat sich ausserhalb der Universitäten theologisch weiter gebildet, ist oft mit Frauengruppen in Indien unterwegs, gehört zu internationalen kirchlichen Frauennetzwerken und unterrichtet an theologischen Fakultäten in Indien. Sie gehört in Indien und weltweit zu den jenen Kirchenfrauen, die sich unermüdlich in die Männergespräche einmischen. Sie gehörte zur Frauengruppe, die 2010 zu Handen der indischen Bischofskonferenz eine Strategie in Frauenfragen (gender policy) formuliert hat. Und sie hat aktuell erreicht, dass die indische Bischofskonferenz auch indische Besonderheiten an die Familiensynode mitbringen wird, wie etwa die verheerende Sitte der Mitgift, die krasse Ungleichheiten in den Familien kreiert und unermessliches Leid verursacht.
Über Lobo Gajiwala kursieren jene bösartigen und verächtlichen Texte, wie sie fundamentalistische KatholikInnen überall auf der Welt gegen engagierte Frauen schreiben. Ihr «Vergehen»: Als Katholikin ist sie mit einem Hindu verheiratet und hat die drei Kinder ungetauft in beiden Religionen aufwachsen lassen. Sie sagt von sich: «Ich bin das lebendige Beispiel, dass interreligiöse Ehen funktionieren, auch zum Besten der Kirche. Als berufstätige Frau und Mutter wäre ich niemals in der Lage, Wochenenden und Abende für Theologie und Kirche zu arbeiten, ohne dass mein Mann dies unterstützt.»
Auch nach Jahrzehnten Kirchenarbeit ist ihr Blick ein konstruktiver. So hebt sie im Vorfeld der aktuellen Bischofssynode hervor, dass die Anlage des unübersichtlichen Vorbereitungspapiers gut sei: Sie vermindere das Risiko, dass Dogmen an den Realitäten vorbei ausgelegt werden. Es sei in diesem Papier ausdrücklich davon die Rede, dass die Realität der Menschen an der Peripherie gehört und einbezogen werden soll, gerade auch ausserhalb dessen, was sonst als normaler Kontext gilt.
Astrid Lobo Gajiwala fordert dazu auf, den Bischöfen mitzuteilen, was das bedeutet, worunter die Menschen also am meisten leiden: Die Abwertung von Frauen beispielsweise, die in den Familien dramatische Ungleichheiten kreiert, welche die katholische Kirche stillschweigend duldet und durch die eigene Struktur stützt. Oder die verheerende Sitte der Mitgift, die junge Frauen und Familien ins Unglück stürzt, und an der sich auch manche Parreien bereichern. Zunehmend werden auch Frauen der Hexerei beschuldigt und exkommuniziert, mancherorts Schwangere nicht auf dem katholischen Friedhof begraben.
Astrid Lobo Gjiwala ist unentwegt im Gespräch mit Bischöfen und ruft auch die Basis dazu auf, den Bischöfen zu erläutern: dass Geburten ein hohes Krankheitsrisiko bedeuten, dass die hohe Sterblichkeit von Müttern und Neugeborenen durch Armut, Vernachlässigung von Mädchen, häusliche Gewalt und Alkoholismus auch ein Problem der Kirche ist, wenn sie sich mit Familien beschäftigt. Ein anderer Blick, ein lernender, interessierter ist gefragt. Beispielsweise sollte ein Bischof wissen, wieviele Abtreibungen weiblicher Föten in seiner Diözese vorkommen, und einen Plan haben, wie er sich gegen Frauenhandel stark machen kann. Zwar seien Scheidungen und Homosexualität nicht die drängendsten Probleme in Indien, doch die Ärmsten der Armen sind auch durch rigide Kirchenvorschriften (beispielsweise beim Verbot der Wiederverheiratung trotz häuslicher Gewalt in erster Ehe) und Umerziehungsmassnahmen von Homosexuellen am meisten betroffen.
Die «gender policy» der indischen Bischofskonferenz:
«Im Papier ist von der JüngerInnenschaft von Gleichen die Rede. Von einer kollaborativen Kirche mit Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Es spricht von Strukturen, die diese Gleichheit zwischen den Geschlechtern ermöglichen sollen. Besonders wichtig ist der Passus über Null Gewalt gegen Frauen. Und das waren neue Gebiete, wo die Bischöfe sahen, das ist ein Anliegen; und sie waren überzeugt, dass sie sich in dieser Sache engagieren sollten. Sie sind auf die Diskriminierung von Frauen eingegangen und haben sehr klar gesagt, das ist eine Sünde, klar gegen Gottes Absicht. Etwas muss geschehen, um das zu beenden, nicht bloß draußen in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche selbst! Und das war, denke ich, eine ziemliche weitreichende Beobachtung.»
Regula Grünenfelder