Leitfaden zum Interreligiösen Dialog
«Wann feiern eigentlich Juden und Muslime Weihnachten?» – Solch
falsche Vorstellungen über die Religion der Anderen haben wohl nur
wenige Menschen in unserer Gesellschaft. Und doch: Nicht hinterfragte Annahmen und mangelndes Wissen über die anderen Religionen, Halbwissen und gegenseitige Vorurteile erschweren das Zusammenleben in einer religiös und kulturell vielfältig gewordenen Welt. Selbst Menschen, die sich im interreligiösen Dialog betätigen, machen die Erfahrung,
dass interreligiöse Verständigung – trotz guter Absichten – oft misslingt.
Bei manchen interreligiös Engagierten macht sich deshalb eine gewisse
Mutlosigkeit und Frustration über das scheinbare Ausbleiben nach-
haltiger Erfolge breit. Doch die Herausforderungen im Zusammenleben
werden nicht weniger und der interreligiöse Dialog bleibt weiterhin
nötig und aktuell.
Der gemeinsam von Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen verfasste
Leitfaden will – nebst einigen grundlegenden Gedanken zum interreligiösen
Dialog – vor allem häufige «Stolpersteine» im interreligiösen
Dialog erkennen helfen und aufzeigen, wie diese vermieden werden
können. Die Lernergebnisse, die die Think-Tank-Frauen als jüdische, christ-
liche
und muslimische Frauen in ihrer langjährigen Dialogarbeit gesammelt
haben, werden dazu in Dialog-Leitlinien gefasst und mit konkreten
Beispielen aus ihrer interreligiösen Praxis illustriert.
Der Leitfaden (70 Seiten) kann für CHF 18.– (zuzüglich Versandkosten)
bestellt werden bei:
Interreligiöser Think-Tank, Gotthelfstrasse 89, 4054 Basel
Tel. 061 302 14 66, oder über: info [at] interrelthinktank [dot] ch
—–
Feministische Theologie – Politische Theologie. Entwicklungen und Perspektiven.
Von Christina Au der Au.Gibt es immer noch einen Zusammenhang zwischen politischem Engagement und engagierter Theologie? Und ist dieser gerade in der zeitgenössischen feministischen Theologie noch immer präsent? Diesen Fragen war 2010 eine Tagung der Deutschen Sektion der ESWTR in Zusammenarbeit mit dem Frauenstudien- und -bildungszentrum in der EKD/Comenius-Institut gewidmet, und dieser Tagung verdankt sich das vorliegende Buch.
Fünfzehn Frauen, katholisch und evangelisch, aus Universität, Erwachsenenbildung und Pfarramt und allen Altersstufen, geben theologisch und politisch engagiert Einblick in ihre Forschungsgebiete. Exemplarisch für das Anliegen des Buches ist der sehr lesenswerten und lesbaren Überblick von Marie-Theres Wacker über die Entwicklung des Begriffs „politische Theologie“. Angefangen mit Carl Schmitt (die politische Vereinnahmung theologischer Inhalte) über Metz (aus dem Glauben verantwortete Kritik gesellschaftlich/politischer Verhältnisse) bis Sölle (Offenhalten der Politik als des Raums, in dem christliche Wahrheit zur Praxis wird) zeichnet sie dann die Entwicklung der feministischen Theologie in der Auseinandersetzung mit Befreiungstheologie, Genderforschung und Geschlechterforschung bis hin zu Althaus-Reids konsequent körpertheologischer „Theologie ohne Unterwäsche“ nach. Andrea Günther fragt, was aus der feministischen Theologie werden soll, wenn die Zeit des Anfangens vorbei ist und findet die Antwort bei Hanna Arendt und Theresa von Avila: veränderndes Anfangen inmitten der bestehenden Verhältnisse. Andrea Bieler fordert einen Zwischenraum jenseits von Dualitäten, in dem hybride Identität und Intersubjektivität vor dem Hintergrund planetarischer und göttlicher Unverfügbarkeit möglich sind.
Klara Butting eröffnet den exegetischen Teil mit einer spannenden Analyse des Messianismus im Psalter, den sie als zutiefst politisch versteht. So verstandene Messiaserwartung heisst bei Jesus und seinen Vor- und NachfolgerInnen die Ermächtigung zur eigenen messianischen Existenz. Claudia Janssen findet bei Paulus ein positives Verhältnis zur Körperlichkeit, den klaren Blick auf die Machtstrukturen der Sexualität, aber auch einen blinden Fleck hinsichtlich Frauenverachtung und Fragen der Homosexualität und des Kindesmissbrauchs. Brigitte Becker untersucht die Chancen für feministisch-politische Gottesdienste heute und findet sie im Verständnis des Gottesdienstes als Realität schaffende Performance und Transformationsgeschehen, das in die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit hinein ausstrahlt. Und Elisabeth Hartlieb untersucht das Verhältnis von Politik und Mystik bei Sölle und findet eine radikal liebende Immanenz, die sich vom leidensunfähigen Vatergott verabschiedet hat, ohne platt diesseitig zu werden.
Die Lernfeldern des letzten Teils schliesslich sind so konkret wie unterschiedlich. Sie umfassen Reflexionen zu einem Missionsverständnis „von unten“, in der die Lebenswirklichkeiten von Frauen als Orte feministischer Theologie begriffen werden (Sandra Lassak), zu einer selbstbewussten und selbstkritischen Auseinandersetzung mit dem Islam (Sabine Plonz) und der Normativität des „gesunden“ Körpers (Eske Wollrad). Der letzte Artikel sensibilisiert eindrücklich für die Problematik, überlässt es dann der Leserin, die Konsequenzen für ein inklusives Verständnis von „Auferstanden-Werden“ weiterzudenken.
Die Frage nach Regenbogen-Lebensweisen (lesbisch/schwul/bisexuell/transgender/intersexed/ queer) wird von Ulrike Auga in einem sehr akademisch-hermetischen Stil abgehandelt, während Aurica Nutts Überlegungen zu einer theologischen Praxis des Recycling in einer Darstellung der us-amerikanischen Theologin Catherine Keller besteht und nicht viel Eigenes bringt. Auch Stefanie Schäfer-Bossert und Leonie Bossert referieren zunächst die Geschichte und Systematik der Umweltethik und rufen „die Theologie“ auf, hier ihren eigenen Weg zu gehen. Es wird allerdings höchstens angedeutet, wie und wo sie dabei eine eigenständige Stimme finden kann. Rajah Scheepers zeichnet die lange Geschichte der „Feminisierung des Pfarramts“ nach und kann diese heute noch nicht finden. Und Annette Mehlhorn schliesslich provoziert zum Schluss noch einmal, wenn sie die Frage stellt, ob wir nicht neue Modelle von „Pfarrhaus“ denken müssen, die aber am Modus des Für-Sorgens festhalten und damit einen Gegenentwurf darstellen gegen die Prinzipien der Ökonomisierung .
Summa summarum: Ein bunter Strauss von Themen und Methoden, in dem jede Leserin und jeder Leser Ansätze findet zum Weiterdenken. Und damit der Beweis dafür, dass feministische Theologie gerade in ihren zeitgenössischen Varianten – die meisten Autorinnen haben Jahrgang 1960 und jünger – durchaus politisch engagiert, konkret und höchst lebendig daher kommt.
Stefanie Schäfer-Bossert, Elisabeth Hartlieb (Hg.): Feministische Theologie – Politische Theologie. Entwicklungen und Perspektiven. Sulzbach/Taunus 2012
——-
«Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott»
Wie stark kann Freundschaft sein? Wie weit kann Solidarität gehen? Dieses Thema entfaltet das biblische Buch Rut, das vom harten Schicksal zweier Frauen erzählt, die sich durch ihre Herkunft, ihre Religion und ihr Alter unterscheiden. Doch beide sind sie kinderlose Witwen. Sie kämpfen innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft um ihr Überleben. Dies gelingt ihnen dank ihrer Freundschaft.
In acht Predigten entfaltet Sara Amanda Kocher die bewegende Geschichte dieser Migrantinnen im Alten Israel und wirft gleichzeitig Fragen auf, die uns auch heute unmittelbar angehen. Um Hunger und Sattwerden geht es auch in weiteren Predigten zu Texten aus dem Ersten und Zweiten Testament. Die Autorin spannt dabei den Bogen vom verheissenen Land, wo Milch und Honig fliesst über die Phantasien des Schlaraffenlands bis hin zu unseren eigenen alltäglichen Erfahrungen mit Essen und Tischgemeinschaften. Sie eröffnet damit Zugänge zu einem Christentum, das sich einer kritischen Sicht auf die Welt und der sinnenfreudigen Vision von Gottes Freudenmahl für alle Völker verpflichtet fühlt.
Sara Amanda Kocher: Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott. Das Buch Rut und andere Hungergeschichten. Predigtsammlung. 2011, Fromm-Verlag.