Frau des Monats Januar 2016

Maria Chavez Quispe

Maria Chavez Quispe. © WCC/Nikos Kosmidis

Unlängst ist in Paris die Weltklimakonferenz zu Ende gegangen. Das dort in allerletzter Minute ausgehandelte Abkommen stellt ein Hoffnungszeichen dar für die Bewältigung der ökologischen Katastrophe, in der sich unsere Welt befindet. Es wurden jedoch auch Stimmen, v.a. von Seiten von NGOs und aus der Zivilgesellschaft laut, welche bemängelten, dass umfassender Themen wie weltweiter Gerechtigkeit dabei zuwenig Rechnung getragen worden sei. Gerade von den Ländern des Südens erreichen uns neue Konzepte des Zusammenlebens der Menschen untereinander und zwischen Mensch und Mitwelt; gespeist nicht zuletzt aus deren Spiritualitäten. Theologie aus Frauensicht als kontextuelle Theologie hatte schon immer die blinden Flecken in Kultur im Blick. So erstaunt es nicht, dass es feministische Theologinnen aus dem Weltsüden sind, welche solche Entwicklungen kritisch und kreativ begleiten.

Eine gute Gelegenheit, euch als Frau des Monats eine Exponentin einer Theologie von den Rändern her vorzustellen; von den Rändern her denkend, die vielleicht deshalb genau ins Schwarze trifft. Im „Frauenbrief 2008“ von Mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel (http://www.mission-21.org/publikationen/frauenbrief/) schreibt die bolivianische Aymara-Theologin María C. Chávez Quispe: «Das Ökosystem unserer Erde ist in der heutigen Zeit schwer beeinträchtigt. … , die viele miteinander verknüpfte Krisen beinhaltet zum Beispiel die Verschmutzung der Luft, des Wassers und der Erde, die Verknappung der natürlichen Ressourcen, die Überbevölkerung in einigen Regionen der Erde, die Armut, der Hunger, die skandalöse Bereicherung einiger Teile etc. Dies wären Zeichen einer tiefgehenden Krise des modernen Entwicklungsmodells, das die Welt zur Zeit beherrscht; ein Entwicklungsmodell, das der Gerechtigkeit keine Aufmerksamkeit schenkt, die das Verhältnis zwischen der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen und der Wiederherstellung der natürlichen Grundlagen ausgleichen müsste und die andererseits die Basis der zwischenmenschlichen Beziehungen sein sollte.» (S. 10)

Geboren wurde unsere „Frau des Monats“ am 9. April 1975 in der Stadt La Paz, was soviel wie Frieden bedeutet. Ihre schon früh ausgeprägte Suche nach Gerechtigkeit liess sie nach der obligatorischen Schulzeit das Studium der Rechte aufnehmen, was jedoch nicht ihren Erwartungen entsprach. Ermutigt durch ihre Grossmutter Lucía Mujica nahm sie an Jugendversammlungen der Methodistenkirche teil. Danach schrieb sie sich als reguläre Studentin der Theologie am ISEAT (Instituto Superior Ecuménico Andino de Teología) ein. Dessen Abschluss erlangte sie im Jahre 1999 mit der Arbeit „Hiob: Der gerechte Gläubige (Analyse des Erzählrahmens des Buches Hiob). In der Zeit ihrer Ausbildung lernte sie die befreienden Traditionen der Bibel kennen und verband diese mit der Religion ihrer ethnischen Herkunft, der Kultur der Aymara. In diese Zeit fällt auch die Aneignung ihre Pseudonyms „Phaxsi“, welches „Mond“ bedeutet. Dem kulturellen und spirituellen Erbe von „Abya Yala“ (Eigenbezeichnung des amerikanischen Kontinents durch die Indigenen) widmete sie in Zukunft ihr Wirken und ihren Einsatz. Ihr Studien setzte sie am ISEDET (Instituto Superior Evangélico de Estudios Teológicos) in Buenos Aires, Argentinen fort. Der neue Erfahrungs- und Reflexionshorizont liess in ihr den Wunsch wachsen, das Evangelium noch näher mit Befreiungskämpfen marginalisierter Menschen zu verbinden. Daraus entstand ihre Lizentiatsarbeit „Auf dass Shadday antworte. Exegetische Analyse von Hiob 29-31 und Relektüre der Auslassungen im Text“. Diese ausgezeichnete Arbeit trugen ihr die Anerkennung als hervorragende Exponentin einer neuen Generation lateinamerikanischer Bibelwissenschafterinnen ein. Im Jahre 2002 kehrte sie ans ISEAT zurück; diesmal als Dozentin und Leiterin des Programms für offene Weiterbildung (Biblisch-pastorales und Sozioreligiöses Programm). Diese Zeit war geprägt von fruchtbaren Kontakten mit VertreterInnen verschiedenster Denominationen. Während zwei Jahren hatte sie zudem einen Lehrauftrag an der Katholischen Universität „San Pablo“ inne.

2001 lernte sie den Schweizer Theologen Hansueli Meier kennen und lieben. Die Beiden heirateten 2004 und 2006 wurde ihnen die gemeinsame Tochter Zoe Wara geschenkt. Phaxsi war ein aktives Mitglied des Theologinnen-Netzwerkes in La Paz. Die Teilnahme an einer theologischen Konsultation des Weltkirchenrates 2007 in La Paz zu Thema „Gerechte und Inklusive Gemeinschaften“ motivierte sie, sich 2008 für die Stelle als Beraterin des Programms für Indigene Völker beim Weltkirchenrat mit Sitz in Genf zu bewerben. Diese Tätigkeit übte sie mit viel Herzblut und Engagement aus. Sie organisierte zahlreiche Versammlungen, so die Begegnungen I-VI indigener TheologInnen. Daraus entstand die „Gemeinschaft der indigenen Theologinnen von Abya Yala (COTIAY). 2010 war sie Mitglied der Gruppe, welche als „Lebende Briefe“ im Rahmen der Kampagne „Gewalt überwinden. Kirchen suchen Versöhnung und Frieden“ im Auftrag des Weltkirchenrates Australien besuchte. Darüber hinaus war sie tätig als Herausgeberin der Nummer 62.4 der Zeitschrift „The Ecumenical Review“, in der Ergebnisse indigener TheologInnen präsentiert wurden.

Ihrem aktiven Leben, welches sie den befreienden Traditionen der Bibel, dem kulturellen und spirituellen Erbe ihrer Heimat Bolivien und dem Kampf der Frauen und Ausgeschlossenen gewidmet hatte, wurde durch eine Krebserkrankung, gegen die sie tapfer gekämpft hatte, am 24. Juli 2012 ein Ende gesetzt. Ihrer Familie, ihren MitstreiterInnen und FreundInnen hinterliess sie die folgenden Worte: « … es ist nicht Zeit für Abschiede sondern der Segnungen… dass die Pachamama euch begleiten und mit Leben nähren möge.»

Allzu früh ist sie verstummt, die Stimme dieser visionären Frau aus den bolivianischen Anden. Ihre Gedanken und ihr Engagement leben in ihren Texten weiter: «Die ökofeministische Theologie verbindet feministische Theologie mit der Kritik an den kulturellen Wurzeln der ökologischen Krise … Der Ökofeminismus ist Theorie und soziale und politische Bewegung zugleich. Er bezieht sich auf die im patriarchalen System bestehende Verbindung zwischen der Ausbeutung der Natur und der Ausbeutung der Frauen. … Aus der ökofeministischen Perspektive kann uns unser Glaube an einen befreienden und erlösenden Gott dazu bringen, die zehn Gebote mit einem elften zu bereichern, das lautet „Du sollst die Natur ehren von der du Teil bist» (a.a.O. S. 11) … Lasst uns beten, damit Gott/Göttin uns führt und begleitet auf unserem Weg und in unserem Engagement.»

verfasst von Esther Gisler Fischer

Quellen:
– Juan C. Chávez Quispe (Bruder) in Zeitschrift Fe y Pueblo, Doppel-Nr. 24/25
– Auskünfte Hansueli Meier (Ehemann)